Wer kennt ihn nicht – Eginald Schlattner, Pfarrer und Chronist Siebenbürgens?
Am 13. September feierte er seinen 92. Geburtstag – ein beeindruckendes Lebensalter für einen Mann, dessen Leben und Werk eng mit der Geschichte Siebenbürgens verknüpft sind. Nur wenige Wochen zuvor las Schlattner aus seinem aktuellen Roman Brunnentore in Freck und begeisterte die Zuhörer mit seiner unverwechselbaren Art, Vergangenheit und Gegenwart miteinander zu verbinden.Geboren 1933 in Arad, erlebte er Jugendjahre unter politischen Repressionen, das Auseinanderbrechen einer jahrhundertealten Kultur und die Herausforderungen der Gegenwart. Als Pfarrer begleitet er seine Gemeinde, als Autor gibt er den Menschen, die Geschichte und ihre Träume, eine Stimme. Seine Romane, darunter Der geköpfte Hahn und Rote Handschuhe, sind Zeugnisse einer gelebten Kultur und eines gelebten Glaubens. Wer Schlattner liest, begegnet Siebenbürgen nicht als trockener Chronik, sondern als lebendigem Leben – scharf beobachtet, manchmal bitter, immer menschlich.
Eginald Schlattner hat seine Heimat Freck in zahlreichen Texten literarisch festgehalten. Für ihn ist die Stadt ein Mikrokosmos der Siebenbürger Sachsen, ein Ort voller Bilder, Gerüche, Stimmen und Geschichten, die ihn ein Leben lang begleitet haben.Schlattner beschreibt Freck als ein buntes Geflecht aus Sachsen, Rumänen, Ungarn, Roma und Juden. Jeder brachte seine Bräuche, Sprache und Feste mit, und doch lebte man nebeneinander – manchmal spannungsvoll, oft aber in alltäglicher Vertrautheit. Das „Brunnentor“ ist ein Motiv, das in seinen Erzählungen immer wieder auftaucht. Das Tor am Dorfbrunnen wird zum Symbol für Schwelle und Erinnerung, für das Tor zur Kindheit und zur versunkenen Welt der Siebenbürger Sachsen. Für Schlattner ist Freck also Erinnerungsort, Symbol und literarische Bühne: ein Dorf, das er nie loswird, auch wenn er längst in einer anderen Welt lebt.
Am Brunnen auf dem Frecker Pfarrhof – besonders zu festlichen Anlässen – war der Dorfbrunnen blumengeschmückt, mit Bändern und Kränzen verziert. Für die Dorfgemeinschaft war er nicht nur ein praktischer Wasserplatz, sondern auch ein sozialer Mittelpunkt.Für Eginald Schlattner wurde dieser Ort ein Bild für die Kindheit in Freck – ein „heiliges Tor“, wie er es sinnbildlich nennt, das in die Welt der Erinnerung führt. Sie hören nun einen Auszug aus seinem Roman Brunnentore, gelesen selbstverständlich von Eginald Schlattner.
